Rechtliche Aspekte für Ihre angehörige Person

Sobald Sie anstelle und im Namen Ihrer älteren angehörigen Person handeln, müssen Sie rechtliche Fragen regeln. Aus administrativer Sicht gilt es eine Vielzahl von Themen mit Ihren Angehörigen zu überdenken, bei denen sie Ihre Hilfe benötigen (werden). Die Tipps, die Sie in der Rubrik Praktische Hinweise – Die Zukunft vorbereiten - Administrative Aufgaben übernehmen finden, werden Ihnen in der ersten Phase helfen.

Die weiteren Schritte sind komplexer. Was die Situation erschwert, ist, dass diese Schritte mit einem relativ fortgeschrittenen Krankheitsstadium Ihrer Angehörigen einhergehen. Es ist wichtig, dass Sie sich frühzeitig um die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Gesundheit und Erbe Ihrer Angehörigen kümmern, denn einige Schritte bedingen einen guten Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen.

 

Verbesserter Erwachsenenschutz

Seit dem 1. Januar 2013 ist das revidierte und verbesserte Recht zum Schutz von Kindern und Erwachsenen des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs in Kraft. Die früheren Vormundschaftsbehörden der Gemeinden und die kantonalen Aufsichtsbehörden wurden durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) abgelöst. In einigen Kantonen heissen diese Behörden Justice de Paix (FR, VD), Friedensgericht (FR), Tribunal de protection de l’adult et de l’enfant (GE), Tribunal régional (NE), Autorità regionale di protezione (TI), KESB in der Deutschschweiz oder Bezirksgericht (AG). Häufig agieren diese neuen Organisationen gemeindeübergreifend oder regional. Sie treffen die notwendigen Massnahmen zur Wahrung der Interessen von Kindern und Erwachsenen in Notlagen, wobei die Würde der Betroffenen respektiert wird und ihre Autonomie und ihre Freiheit im Vordergrund stehen.

Die KESB sind auf Bundesebene in der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) zusammengefasst, die die Adressen aller Schutzbehörden veröffentlicht. Es kann nach Kanton oder nach Wohnsitzgemeinde gesucht werden. Siehe unter "Wichtige Unterlagen".

 

Die verschiedenen Schutzmassnahmen

Damit Ihre Angehörigen selbst entscheiden können, wie sie betreut und gepflegt werden, aber auch wie ihr Vermögen verwaltet wird, sind zwei neue Massnahmen vorgesehen: der Vorsorgeauftrag und die Patientenverfügung.

Vorsorgeauftrag

Mit diesem Auftrag kann Ihre angehörige Person für den Moment vorsorgen, zu dem sie urteilsunfähig wird. In einem selbst verfassten und notariell beglaubigten Dokument bezeichnet sie eine natürliche oder juristische Person, die sie zu gegebener Zeit persönlich betreut, ihr Vermögen verwaltet oder sie in Rechtsbeziehungen mit Dritten vertritt.

Die Aufgaben, die Ihre angehörige Person einer anderen oder einer bevollmächtigten Person übertragen will, aber auch Anweisungen bezüglich der Ausführung müssen in diesem Dokument genau festgehalten werden. Bei Unklarheiten muss die regionale KESB nachträglich je nach gesetzlicher Lage entscheiden.

Das Dokument kann beim Zivilstandsamt hinterlegt werden. Wenn Ihre angehörige Person urteilsunfähig geworden ist, wird sich die KESB beim Zivilstandsamt erkundigen, ob ein Vorsorgeauftrag existiert. Die von Ihrer angehörigen Person ernannte bevollmächtigte Person hat nun die Möglichkeit, den Auftrag anzunehmen oder abzulehnen. Je nach Umfang der im Auftrag festgehaltenen Aufgaben legt die KESB eine faire Vergütung fest, die von Ihrer angehörigen Person zu entrichten ist.

Aber wann hat man denn überhaupt seine Urteilsfähigkeit verloren? Falls Ihre angehörige Person wegen einer psychischen Störung nicht mehr in der Lage ist, Sinn und Nutzen sowie die Wirkungen eines bestimmten Verhaltens zu beurteilen, oder sie infolge einer psychischen Störung nicht mehr frei und unbeeinflusst handeln kann, indem sie sich auf eine freie und erklärte Einschätzung der Situation stützt, wird der behandelnde Arzt die Urteilsunfähigkeit feststellen. Auf dieser Feststellung basiert die Arbeit der KESB.

Patientenverfügung

Ihre angehörige Person kann, solange sie noch urteilsfähig ist, entscheiden, welchen medizinischen Massnahmen sie zustimmt und welche sie ablehnt, für den Fall, dass sie zum betreffenden Zeitpunkt nicht mehr entscheidungsfähig ist. Das wird in einer Patientenverfügung festgehalten.

In der Verfügung kann eine natürliche Person angegeben werden, vielleicht Sie, die mit dem Arzt die medizinische Versorgung besprechen wird, die Entscheidungen anstelle des Patienten trifft, falls er bzw. sie nicht mehr urteilsfähig ist.

Hinweis: Ihre Angehörigen müssen selbst ihre Patientenverfügungen verfassen. Verschiedene Verbände bieten Musterverfügungen an. Die Verfügung muss personalisiert sein und den «freien und erklärten» Willen Ihrer Angehörigen widerspiegeln, d. h. sie müssen zuerst vollständig über ihre Situation aufgeklärt worden sein. Falls der Arzt oder die Einrichtung diesbezüglich Zweifel hegt, kann er oder sie sich weigern, die Verfügung zu berücksichtigen. Ihre Angehörigen müssen sich daher regelmässig vergewissern, dass die Verfügung anwendbar ist. Ausserdem müssen die Verfügungen jedes Jahr erneuert oder bestätigt werden, denn ihr Gesundheitszustand sowie der Stand der Wissenschaft entwickeln sich ständig weiter: Ihre Angehörigen müssen dieser Entwicklung folgen können und so zeigen, dass sie informiert sind.

 

 

Die gesetzliche Vertretung durch den Ehegatten und die Vertretung bei medizinischen Massnahmen sind zwei Massnahmen, die von Gesetzes wegen automatisch zur Anwendung kommen:

Gesetzliche Vertretung durch den Ehegatten oder den eingetragenen Partner

Falls Ihre angehörige Person vor dem Verlust ihrer Urteilsfähigkeit keine Vorkehrungen getroffen und keinen Vorsorgeauftrag erstellt hat, wird ihr Ehegatte sie gemäss Zivilgesetzbuch vertreten (Art. 374 und 376 ZGB).

Sobald die Urteilsfähigkeit per Arztzeugnis bescheinigt ist, tritt das Vertretungsrecht des Ehegatten oder des eingetragenen Partners von Gesetzes wegen in Kraft. Falls ein Spital oder ein Bankinstitut Zweifel hat, kann es vom Ehepartner oder dem eingetragenen Partner eine von der KESB ausgestellte Urkunde verlangen, die die Befugnisse des Vertretungsrechts wiedergibt.

Vertretung bei medizinischen Massnahmen

Die Vertretung bei medizinischen Massnahmen ist eine Ergänzung zur Patientenverfügung. Es handelt sich dabei um eine Vertrauensperson (Privatperson oder Arzt), die für andere erkennbar bestimmt wurde. Sie kennt den Willen Ihrer Angehörigen und ist verpflichtet, sie bei Urteilsunfähigkeit Ihrer Angehörigen kundzutun. Die Vertrauensperson muss regelmässig über den Willen Ihrer Angehörigen informiert werden, weshalb Ihre Angehörigen ihren Arzt gegenüber ihrer Vertrauensperson vom Arztgeheimnis entbinden müssen.

Ihre Angehörigen können ihre Vertrauensperson in der Patientenverfügung angeben oder einen entsprechenden Auftrag (mit Unterschrift und Datum) verfassen. Anschliessend müssen sie darüber informieren, dass eine solche Vertrauensperson existiert, und deren Angaben an die betreffende Pflegeeinrichtung weiterleiten. Die Vertretung bei medizinischen Massnahmen ist jährlich zu erneuern.

Falls Ihre Angehörigen keine Vertrauensperson angegeben haben, sieht das Gesetz eine Liste von Personen vor, an die sich die Ärzte oder Einrichtungen wenden werden, um Entscheidungen zu treffen. Es handelt sich um folgende Personen (in dieser Reihenfolge):

  • die in einer Patientenverfügung oder in einem Vorsorgeauftrag bezeichnete Person;
  • der Beistand oder die Beiständin (siehe weiter unten) mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen;
  • der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner, der bzw. die einen gemeinsamen Haushalt mit der urteilsunfähigen Person führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet;
  • die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt und ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet;
  • die Nachkommen, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten;
  • die Eltern, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten;
  • die Geschwister, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten.

Die Kindesschutz- und Erwachsenenschutzbehörde schreitet ein, wenn keine vertretungsberechtigte Person das Vertretungsrecht ausüben will. Sie bestimmt die vertretungsberechtigte Person oder errichtet eine Vertretungsbeistandschaft, insbesondere wenn die vertretungsberechtigten Personen unterschiedliche Auffassungen haben oder die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind. Die Behörde kann von Amtes wegen oder auf Antrag des Arztes oder einer nahestehenden Person handeln.

Quelle: www.planetesante.ch, Schweizerisches Zivilgesetzbuch

 

 

Als letzter Ausweg kann die Schutzbehörde einen Beistand anordnen.

Beistandschaft

Die Beistandschaft ist eine freiwillige oder durch den Staat eingerichtete Schutzvorkehrung für eine erwachsene Person.

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) kann für Ihre älteren Angehörigen eine Beiständin oder einen Beistand benennen. Sie entscheidet auf der Grundlage eines medizinischen Gutachtens über die psychische Gesundheit Ihrer Angehörigen.

Es gibt vier Arten von Beistandschaften, die untereinander kombiniert werden können:

  1. Begleitbeistandschaft und Vertretungsbeistandschaft ohne Vermögensverwaltung: mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person. Eine Drittperson leistet Unterstützung, doch der Beistand hat keine Vertretungs- oder Verwaltungsbefugnis.
  2. Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung: wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht erledigen kann. Diese Beistandschaft wird errichtet, um ein Vermögen zu verwalten und den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte einzuschränken. Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person kann eingeschränkt werden.
  3. Mitwirkungsbeistandschaft: Bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person bedürfen zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin. Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird entsprechend eingeschränkt.
  4. Umfassende Beistandschaft: wenn eine Person, namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit, besonders hilfsbedürftig ist. Der Beistand oder die Beiständin wird zum gesetzlichen Vertreter der hilfsbedürftigen Person. Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt von Gesetzes wegen.

 

Letztlich kann jede Person gegen ihren Willen in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Diese Person muss an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung (angeboren oder erworben) leiden oder schwer verwahrlost sein. Im Erwachsenenschutzrecht wird diese Massnahme als «fürsorgerische Unterbringung» bezeichnet.

(Quelle: Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Dritte Abteilung "Der Erwachsenenschutz", Art. 360 und folgenden).

 

Wichtige Unterlagen

Broschüren der Schweizerischen Alzheimervereinigung.

Liste der Adressen der KESB auf der KOKES-Website (Excel-Tabelle zum downloaden).

Patientenverfügung des Schweizerischen Roten Kreuz

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